Geschichten

Reclaiming Our Good Heart

Im indigenen Kontext war die Initiation nie nur für das Individuum gedacht. Sie hat nichts mit Persönlichkeitsentwicklung oder Selbstoptimierung zu tun. Es war ein Akt der Hingabe für die Gemeinschaft, in die der Initiand gebracht wurde und der er ab da in Loyalität verbunden bleibt. Die Initianden wurden darauf vorbereitet, ihren Platz einzunehmen, um die Vitalität und das Wohlergehen des Dorfes, des Clans, der Wasserstelle, der Ahnen und von Spirit zu bewahren. Es ging nie um sie allein, sondern um das Fortbestehen der kommenden Generationen.

Francis Weller

Das ist eines der Teachings, das sich nun über die Jahre des Leitens von Visionssuchen immer mehr mit meinem Gefühlskörper verbindet.

Jede*r Quester*in die da rausgeht, geht nicht in erster Linie für sich, sondern holt Medizin für uns alle, für die Gemeinschaft. Indem sie sich dem Initiationsprozess mutig hingeben, sich erneuern, ihre Gaben, die sie in die Welt mitbringen, erkennen und teilen, holen sie Medizin und das Land, die Tiere, die Pflanzen, die Ältesten spiegeln diese Medizin. Der Begriff Medizin ist hier an die Verwendung der First Nations angelehnt und meint u.a. das Heilsame, das Unterstützende, die Kräfte, das, was gerade gebraucht wird.

Dabei spielt die Gruppe der Visionssucher*innen eine große Rolle, die für die Menschengemeinschaft als solche steht: „Wir sehen Dich mit deinen Gaben und Geschenken”, sagt sie, „Wir freuen uns über Dich“, „Wir anerkennen und brauchen deine Medizin“.

In unserer Kultur von kapitalistischen Leistungs- und Mangeldenkens ist es so Out Of The Box zu denken, dass alle Menschenwesen schon mit vielen Gaben hier ankommen, dass sie wunderbar strahlend sind und viel zu geben haben, und dass es „nur“ darum geht herauszufinden, was die Gaben sind und wie sie jetzt gerade ins Leben gebracht werden wollen. 

Die Spaltung zwischen Mensch/Kultur und Natur, die im Zuge der Aufklärung stattgefunden hat, ist es, die in dieser Weise erst die kapitalistische Ausbeutung der Erde und der Menschen ermöglicht hat.

Durch die Trennung und Entfremdung von unserem Wesen als natürlicher verbundener Teil der Schöpfung gelingt es uns, uns wie die Erde auszubeuten. Eigentlich logisch, dass wir uns als nicht mehr so wertvoll betrachten für das Gemeinwohl, wenn wir diese Trennung in uns selbst vollziehen. 

The Trance of Unworthiness nennt  Tara Brach diese tief verwurzelten Glaubensmuster mit denen wir uns ständig Selbst bezichtigen und verurteilen, das ständige Nichtgenügen (das unsere Wirtschaftsweise spiegelt) und vertritt die buddhistische Sichtweise, dass jeder Mensch mit einem reinen unschuldigen Herzen geboren ist, das im Grunde bestehen bleibt, weil es unsere wahre Natur ist, ohne wenn und aber. Diese Sichtweise ist revolutionär.

Hier verbinden sich für mich die jahrtausendealten Sichtweisen auf die menschliche Natur, im krassen Gegensatz zu dem Konzept der „Erbsünde“, das von Geburt an Schuld und Scham über unser Wesen wirft.

Besonders wichtig erlebe ich das mit den jungen Erwachsenen, dass diese Anbindung an die eigene menschliche Natur, an die indigene Sichtweise sozusagen – sich als Mensch bedeutsam, verbunden und NOTWENDIG zu erfahren – ebenso  revolutionär wie heilsam ist.

Dabei kehrt oft sehr viel Würde zurück zu den Initiand*innen, die kulturelle Last des Unwürdigseins qua Geburt verringert sich in der Entdeckung der eigenen Zugehörigkeit zum lebendigen Beziehungsgeflecht der Erde. Die Erde als Ort von Blühen und Gedeihen, als Ort von Vielfalt und Überfluß, indem die Aufgabe des Menschen darin besteht, diese Schönheit und Fülle zu unterstützen, die Erde und ihre Wesen gewissermaßen zu hüten, als Teil des Ganzen.

Gabriele Maria Höfinger, leitet Visionssuchen für Junge und Erwachsene und erforscht “the right relations“ und Initiatiosprozesse.

Francis Weller gesamter Artikel über Trauma und Initiation ist sehr zu empfehlen und hier nachzulesen. Tara Brach bietet auf ihrer Webseite ein Archiv an Dharmareden: tarabrach.com. Erwähnen möchte ich auch Pat McCabe, Dineh Forscherin, die mir viele Einsichten zu den indigenen Sichtweisen ermöglicht.

Foto: © Omer Salom, unsplash

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