Geschichten

Giving Gifts – Kraft der Geschenke

Wir bewegen uns schon wieder an das Ende des Jahres. Hinter dem Wildwuchs des Sommers wird der Kern der Dinge sichtbar – in den langen Nächten das was wirklich leuchtet, das kleine Licht und gleichzeitig die größte Kraft des Wandels. Nachdem das bunte Gefieder, das schwere Geweih, all die Blüten- und Blättermassen abgeworfen und wieder dem Boden zurückgegeben sind, rührt sich zur Sonnenwende tief unter der Erde schon wieder der erste Pulsschlag dessen was sich neu dem Leben schenken möchte.

Die Weihnachtszeit ist ja bei uns auch eine Zeit der Geschenke und obwohl gerade damit zu einem Sinnbild einer naturwidrigen Konsum- und Verschwendungskultur geworden, auch eine Chance sich der Natur des Schenkens zu erinnern.

Ganz offensichtlich ist Mutter Natur großzügig mit ihren Geschenken. Vergibt Früchte und Aussichten mit offenen Händen. wir Menschen haben dafür den Markt erfunden – Waren, jedes Ding seinen Preis zu dem wir es handeln können. Das ist uns selbstverständlich geworden, dabei kennen und kannten wir Menschen das auch anders. In indigenen Kulturen gibt es immer einen großen Teil von Dingen die nicht gehandelt sondern nur geschenkt werden dürfen, sowie einen noch größeren Teil der unveräußerlich ist, wie Wasser und Land. Geschenkt werden häufig die allerwesentlichsten Dinge, Nahrung, Kleidung, Werkzeuge, sowie alles was uns im weiteren Sinne nährt und „heilig“ ist.

Ein Gegenstand verändert sich, je nachdem wie er in unserer Hände gelangt. Du kannst das gut an Dingen überprüfen die dir geschenkt wurden und dann die Gegenprobe machen und dir vorstellen du hättest das gleiche Ding bei Amazon bestellt. Geschenke schaffen Beziehung, das ist ihre wesentliche „Währung“ und wenn wir sie als solche wahrnehmen Verantwortung. Das betrifft das Weihnachtsgeschenk einer uns lieben Person genauso wie die Geschenke der Erde, die wir annehmen. Aus der Sicht unserer Eigentumsökonomie gilt ein Geschenk als „umsonst“, weil wir es ohne Gegenleistung erhalten, ohne Bezahlung.

In einer Schenkökonomie dagegen ist das anders, ein Geschenk ist nicht umsonst. Das Wesen des Geschenks ist es, dass dadurch Beziehungen entstehen, Austausch und Reziprozität. In diesem Sinne geht es tatsächlich nie in das Kapital der beschenkten Person über. Geschenke in einer „Schenkökonomie“ schaffen Bewegung, von Hand zu Hand, sie sollen weitergegeben werden, wenn nicht in gleicher Gestalt dann gleichwertig und schaffen so Wertschätzung und Beitrag zu einem lebendigen Ganzen. „Im westlichen Denken wird Besitz als ein „Bündel an Rechten“ verstanden, während in der Schenkökonomie Eigentum an ein „Bündel an Verantwortungen“ gebunden ist.1 Vielleicht ist es Zeit wieder zu einer Schenkbeziehung zur Natur und zueinander zurückzufinden, einem Geben und Nehmen, das unsere Mitwirkung an natürlichem Wachstum und unsere Abhängigkeit davon anerkennt und so ein Gegenmittel wird zur Ausbeutung von Erde und Körper.

Rituale des Schenkens können noch einer anderen Absicht folgen. „Die Idee, Geschenke zu machen, leitet sich aus dem alten Verständnis ab, dass jede Mensch mit inneren Gaben zum Leben geboren wird …2 Rituale des Schenkens hatten demnach einst die Absicht, Menschen zu ermutigen, ihr Strahlen zu finden, die inneren Geschenke der Seele in die Welt zu bringen und uns an die einzigartige Begabung jedes Lebens zu erinnern, die zu einem Licht werden kann, das in der Dunkelheit leuchtet.

So sind „Schwellengeschenke“ auch eine der ältesten Formen von Geschenken. Sie werden in Zeiten des Übergangs von einem Ort oder Zustand in einen anderen gegeben. Vielleicht sind sie sogar die häufigste Form von Geschenken, die wir kennen. Sie sind Teil von Momenten großer Veränderung und begleiten uns in allen Lebensabschnitten, von der Geburt und Taufe, zu den Geburtstagsfeiern der Jugend, von den Geschenken zum Schulabschluss und den Pubertäts- und Initiationsriten bis zu den Geschenken zur Hochzeit, von den Speisen für Neuankömmlinge und Kranke … bis zu den Blumen am Sarg.

Tatsächlich wurden und werden in vielen Kulturen großzügig „Gaben über den Sarg“ gereicht. „Man könnte sagen, dass die Gaben, die wir in Zeiten der Verwandlung geben, den Verzicht, den wir unsichtbar vollziehen, sichtbar machen … und, dass Geschenke, die wir in Zeiten der Veränderung erhalten, die Gegenleistung des Lebens sichtbar machen sollen.“3 Sie weisen uns den Weg zu neuem Leben und versichern uns, dass wir uns von dem, was stirbt, in etwas Neues hinein bewegen.

Und so gibt es auch wenn wir Menschen am Weg der „Visionssuche“ begleiten Geschenke. Der äußeren Rahmen beinhaltet beide Aspekte. Eine Arbeit, die uns etwas bedeutet – die das Herz berührt, die Seele belebt oder Mut zum Leben macht, ist immer ein Geschenk und gleichzeitig würdigt sie das Bedürfnis nach einem Lebensunterhalt in einer Gesellschaft die vom Marktaustausch beherrscht wird mit einem Preis.

Im inneren ist der Austausch von Geschenken und Medizin aus der natürlichen Welt zu den Menschen und von den individuellen Menschen zu Gemeinschaft und Land essenziell. Auch im Sinne eines „handfesten“ Geschenks, wenn die Menschen draußen fasten sammeln wir Guides Medizingeschenke vom Land und den Wesen, schneiden Stoff- und Lederbeutel zurecht, weben bunte Fäden und Gebete ein und füllen die Beutel mit den Geschenken aus der Natur. Ein Geschenk an deine ureigene Medizin und eine Erinnerung an deine Verantwortung sie in die Welt zu weben.

Und zu Weihnachten?
Wenn sich das vergangene Sonnenlicht ganz der langen Nacht übergibt und das Neue aus der Dunkelheit geboren wird, können auch wir Menschen unserem inneren Geschenk ein Stück näher rücken und es in eine neue Wachstumsperiode hineintragen. So wird ein Geschenk am Kardinalpunkt des großen jahreszeitlichen Übergangs bedeutsam, stärkt unsere Verbundenheit miteinander und einer sich zyklisch wandelnden Welt.

The gift is to the giver,
and comes back most to him
— it cannot fail –

Walt Whitman

1 Robin Wall Kimmerer: Braiding Sweetgrass – Indigenous Wisdom, Scientific Knowledge and the Teachings of Plants; Penguin Books UK
2 Meade Michael: Awakening the Soul: A Deep Response to a Troubled World; Greefire Press
3 Hyde Lewis: The Gift – How the Creative Spirit Transforms the World; Canongate Books Ltd.

Fotos: © Alfred Kwasny

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