Auch wenn uns das Leben in jedem Alter immer wieder neu initiiert, sind es die Jugendjahre wo „es“ sowohl wirklich und leibhaftig als auch archetypisch geschieht. Egal ob wir im Größeren auf dieser Erde gerade ruhige, friedliche Zeiten erleben oder wie jetzt im stürmischen Chaos mit ungewissem Ausgang stecken, in der Mitte von all dem passiert unglaubliche, wundervolle Entwicklung, machen Jugendliche ihren Übergang, werden initiiert, wachsen, verpuppen sich, erblühen, werden erwachsen.
Es gibt einfach keine Möglichkeit, der fundamentalen und existenziellen Krise, Herausforderung und Veränderung zu entgehen, die sich uns auf dem Weg vom Kind zum Erwachsenen stellt.
Es ist die Zeit des Abstiegs, die Zeit der Heldenreise … in jedem Fall und unabwendbar … eine verletzliche Zeit von der so viel abhängt. Ohne die Unterstützung einer sinnvollen Choreographie, ohne wirkliche Verbündete und am allerwichtigsten den wertschätzenden, liebevollen, bestätigenden und ermächtigenden Blick auf das, was da getan, gefühlt, erlebt geleistet und gefunden wird kann das furchtbar schief gehen … und das tut es in vielen Fällen und auf viele Arten auch.
Als Gesellschaft sind wir darauf angewiesen, davon zu lernen, wie junge Menschen in dieser Zeit, in dieser Welt, in diesem Körper mutig durch diese Transformation gehen. Weil wir das gerade auch als Gemeinschaft durchmachen.
Auch wenn manche sagen, wir hätten kollektiv dabei schon versagt, wären im Pendel zwischen übermäßiger Bedürfnisorientiertheit, Allmachtsphantasien und endlosem Selbstzweifel liegen geblieben … und würden die paar die es aus ICH, Habenwollen und Territorialität gar nicht bis zum Zweifeln geschafft haben voran gehen lassen … mit Blick auf den Mut und das große Herz der Jungen – was für ein großes Geschenk aus dieser Arbeit : ) – mag ich das nicht behaupten und habe große Hoffnung.
Auch sind wir als Menschenfamilie davon abhängig, initiierte Erwachsene zu „bekommen“, die ihre eigene Verletzlichkeit und Verbundenheit kennengelernt haben, das was ihnen Angst und wirklich Freude macht, die für sich gerade stehen, ihre Wahrheit erkennen und sagen und gleichzeitig kooperativ im Wissen um die Verwobenheit alles Lebens handeln können.
Damit uns in Zukunft Menschen vorangehen, die ihre persönlichen Fähigkeiten, Geschenke, das was sie Lieben und wofür sie brennen kennengelernt haben und bereit sind es großzügig und verantwortlich in die Welt zu leben.
Um es mal deutlich und klar zu sagen: Diese jungen Menschen machen eine verdammt wichtige Arbeit für uns alle. Das muss gewürdigt werden!
Gleichzeitig ist es nicht leichter geworden für junge Menschen, den Schritt hinaus aus der eigenen Tür zu machen. In den zehn Jahren in denen ich diese Arbeit schon begleite hat sich das nochmal deutlich verändert. Die Erfahrung vom Leben ausgeschlossen zu sein haben viele früh gemacht. Die Welt draußen ist immer unsicherer geworden, die Diskrepanz zwischen Wunschbild und erlebter Realität scheinbar riesig, das Echte kaum zu fassen, Selbstwirksamkeit schwer zu erleben, eine „Zukunft, wie soll das bitte aussehen?“ Gleichzeitig holt die „on Screen“ Realität scheinbar so einfach den inneren Ruf nach einem verwandelnden Abenteuer ab. Abenteuer rufen die nie wirklich satt macht, Sinn, Selbstermächtigung und „Körper“ entfaltet, sondern häufig in Isolation, Depression, Abhängigkeit, Autoaggression führen oder auch zu dem erdrückenden Gefühl die Verantwortung für die Welt zu tragen.

Das Vakuum in der realen Erlebbarkeit von geerdeten und dienlichen wie gleichermaßen verletzlichen und fehlbaren erwachsenen Identitäten wird auch darin sichtbar welch beängstigenden Zulauf und Einfluß im Onlineuniversum scheinbar starke, reaktionäre und misogyne Akteure gewinnen, mit fürchterlichen Konsequenzen auf unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Immer mehr passiert dann auch in der Jugendarbeit am Bildschirm, um die jungen Menschen dort zu treffen, wo sie sind und ich habe ehrlichen Respekt vor den Menschen die diese Arbeit machen. Und bin gleichzeitig immer noch überzeugt, dass es auch unsere Verantwortung als Ältere ist, den Jungen einen liebevollen Schubs aus der Tür zu geben um dann ihre Bewegung in der Welt zu sehen, ihre Lebendigkeit und alles was sie bringen mit unserem ganzen Herzen und unserer ganzen Kraft zu bestaunen und zu unterstützen.
Ja, wir entwickeln uns als Spezies zu etwas, das wir noch nicht wissen, aber unsere Körper sind immer noch dafür gemacht, die Erde zu berühren und in Bäumen zu hängen, unsere Gehirne sind darauf geeicht, im Stamm lebendiger Menschen zusammenzukommen, Geschichten und Träume zu hören, unser ganzes weites Sensorium in Kontakt mit der lebendigen Natur zu bringen.
Wenn ich jetzt einige der Erwachsenen treffe, die vor drei, fünf oder zehn Jahren mit uns „Weg der jungen Männer“, „Spread your Wings“ oder „Visionssuche“ gemacht haben ist es immer noch das was ich höre. Das, was ihnen wirklich Boden gibt und was sie hält, wenn das Leben schwierig ist, ist die körperliche Erfahrung von Zugehörigkeit, im Kreis zu sitzen, von anderen ganz gehört und gesehen zu werden, berührt zu werden, Spiel, Grenzen und Ehrlichkeit zu erfahren, allein in der Wildnis zu überleben, gemeinsam in einer Schwitzhütte oder einer Tanzzeremonie zu schwitzen, von der Erde mit ihrer Fürsorge beschenkt und selbstwirksam das 2. Mal geboren zu werden. Die Geschenke aus dieser Erfahrung sind lebendig und wirksam, inspirieren und wandern von Hand zu Hand.
Und sie kommen an, ganz persönlich, als ich vor ein paar Wochen aus Gründen deprimiert auf einer Busfahrt nach Wien einen der jungen Männer aus der allerersten Serie traf, war ich zu Tränen berührt von seiner offenen Herzlichkeit, mit der er mich als denjenigen ehrte, der in entscheidenden Momenten immer da war und Halt und Erfahrung für etwas Tiefgreifendes gab, das noch immer anhält und sich entfaltet. Und während ich ihm zuhörte, wie er mit solch ehrlicher Begeisterung sprach, konnte ich mich der Wertschätzung nicht verschließen, wie das sonst meine gut geübte Art ist, und wurde so initiiert durch die Präsenz seines offenen Herzens. Das ist es also, was wir füreinander tun können.
So, es ist wieder Saison für den „Weg der jungen Männer“, die „Wild Soul Quest“ und auch das an liebe Kolleg:innen gewanderte „Wildways“. Bring deine Sorgen, Herausforderungen, deinen Kummer, deine Gebete, deine Wut und deine Angst mit … und auch deine einzigartigen Träume, die nur du träumen kannst.
Wir gehen ins Zentrum des Sturms, einen Übergang
machen … mitten ins Leben!
Fotos: © Alfred Kwasny