Wenn eine Lebensphase endet und eine neue beginnt
Ich bin schwanger! Ein sehr lange gehegter Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Seit dem höre und lese ich öfter, dass Mutter werden DAS Übergangsritual ist. Das macht mich demütig, lässt mich staunen und ich habe Lust zu erforschen, was damit wohl gemeint sein könnte.
Bei mir taucht da zuerst einmal die Zeit vor der Schwangerschaft auf: Das größte Teaching auf dem langen Weg davor war wohl, dass ich gespürt habe, dass ich den Kinderwunsch loslassen muss. Doch wie bitte lässt man so einen großen Lebenstraum los? Eine Antwort, die Antwort meines Körpers, war, dass ich mich auch noch auf die anderen Träume in meinem Leben fokussieren soll. Und mich nicht so sehr auf nur diesen Wunsch fixiere. Also startete ich eine Ausbildung, die mich sehr interessierte und schwupps, saß ich schwanger im ersten Ausbildungsmodul. Schwupps, naja, wie gesagt, war es ein langer Weg und ich mag nicht behaupten, dass das eine Allgemeingültigkeit hat, aber ja irgendwie war es schon erstaunlich. Das war also eine große Lehre in Loslassen und wie Loslassen für mich geht.
Dann gibt es die Zeit der Schwangerschaft, in der ich schon durch sehr viele verschiedene Phasen gegangen bin und lerne wie zyklisch das Leben ist. Mein Leben, mein Körper, meine Gefühle verändern sich kontinuierlich. Es kommt mir so vor wie die Wellen des Lebens, die ich auch schon davor gespürt habe, nur zehnmal intensiver. Jeder Tag ist anders.
Wenn ich früher an Tagen, an denen ich aus unerklärlichen Gründen müde nichts auf die Reihe bekommen habe, sehr kritisch mit mir war und die Schuld bei mir gesucht habe in dem Anspruch an mich selbst, immer fit und funktionierend zu sein, lerne ich gerade, dass ich nichts dafür kann und es einfach die Wellen des Lebens sind, auf denen ich reite. Dass das Leben diese Zeiten von introvertiert und extrovertiert, klar und nebelig, hoch und tief, … hat, ist DIE Erkenntnis, die mich an der Arbeit mit dem Medizinrad und den Übergangsritualen seit jeher besonders berührt. Aber irgendwie ist das echt nicht so leicht im eigenen Leben immer wieder zu integrieren.
Und dann lese ich in sämtlichen Ratgebern und höre aus meinem Umfeld: wenn das Baby mal da ist, wird es nie wieder wie zuvor. Ein altes Leben stirbt, eine neue Identität ist am Entstehen. Und es ist jetzt schon nicht mehr so wie davor.
Da gibt es einen Körper, der nach der Schwangerschaft und Geburt nicht mehr derselbe sein wird. Ein Abschied.
Da gibt es Jobs, Projekte, die mit Baby und Kind vielleicht so nicht mehr möglich sind, keinen Platz haben. Ein Abschied.
Da gibt es gewohnte Routinen, Verhaltensweisen, Interessen, denen ich nachgegangen bin, für die dann zumindest eine Weile und vielleicht auch für eine lange Weile kein Raum ist.
Da gibt es eine Partnerschaft, die auf einmal eine große Wandlung erfährt. Neue Themen gilt es zu besprechen und auszumachen. Wer schläft wo, damit nicht beide völlig erledigt sind am nächsten Tag. Und wie bleiben wir trotzdem in einer guten Verbindung?
Da gibt es Freundschaften, die sich durch die verändernden Identitäten vielleicht verändern. Ich bin als Mama vielleicht viel zu Hause und suche den Kontakt nach anderen Mamas mit kleinen Kindern, die FreundInnen gehen ihren Karrieren nach.
Da gibt es Eltern, die auf einmal zu Großeltern werden und die Rollen im Familiensystem verschieben sich.
Viel Veränderung, viele Abschiede und sicherlich, auch viele neue Geschenke, die ich jetzt hier gar nicht auflisten mag, weil es nur Ahnungen sind und ich großteils nichts weiß über die Zeit nach der Geburt. Aber ich bin mir sicher, dass die neue Identität der Mama ganz viel Schönes bereithält. Neue Gaben sich entwickeln. Neue Fähigkeiten. Neue Beziehungen. Eine ganz besonders neue Beziehung zum Baby-Wesen. Eine andere besondere Beziehung zum Vater-Wesen. Neue besondere Beziehungen sich zu Großeltern, zu FreundInnen, …. entwickeln. Abschied und Neubeginn. Immer wieder. Schwanger und nicht schwanger 🙂
Foto: © Franco Baumeler
